Der braune Holzbecher steht etwas schräg zwischen vertrocknetem Buchenlaub auf dem felsigen Waldboden. Vorsichtig gießt Simon dampfend-heißes Wasser über eine Portion Matéblätter. Wie es sich für einen gebürtigen Argentinier gehört, nutzt er seine Kletterpause für eine kleine Teezeremonie. Neben dieser Tradition aus seiner Heimat brennt er fürs Klettern, Bouldern, Routenschrauben und die Geschichte des Sports. In diesem Sommer ist noch eine neue Leidenschaft dazu gekommen, die all das perfekt verbindet: das Frankenjura.

Simon Padin lebt zusammen mit seiner Freundin Ana in einem alten, grünen VW-Bus in Spanien – die meiste Zeit verbringen sie dabei in der Kletterhochburg Katalonien, was für Simon „das beste Sportklettergebiet auf der Welt“ ist. Doch andere Länder haben auch coole Felsen. Im Sommer 2023 tuckerte er also ins Frankenjura, um einige Klassiker abzuklappern, von denen er schon viel gehört hatte.

Auf seiner Tour steht der dampfende Matébecher einmal unterm Waldkopf und heizt Simon an, die Wolfang-Güllich-Route Slimline zu klettern, ein andermal unter der Supernase mit Blick über das malerische Gößweinstein und dann nicht weit von dort, unterm Sautanz, erstbegangen von Kurt Albert. „Mir geht auf diesem Trip nicht darum, möglichst hart zu klettern oder eine schwere Linie zu projektieren. Für mich ist es etwas ganz Besonderes, mit Ana diese bekannten Sportklettergebiete zu besuchen, wo so viel Geschichte geschrieben wurde und gemeinsam eine gute Zeit zu haben.“

Ein gute Zeit, das ist für Simon, wenn um ihn motivierte Leute herumturnen, die ihre Leidenschaft leben und alles geben. Er liebt es, sich von deren Energie anstecken zu lassen und steckt selbst voller Tatendrang. Er hat sogar eine persönliche Version von Anfeuerungsrufen wie „Hau rein, Digga“ entwickelt. Simon nennt es „Escalar a muerte“ kurz EAM, bedeutet ganz einfach „alles geben, was geht“. Das ist sein Mantra. Es entstand in frühen Jahren, als er mit dem Neffen der spanischen Kletterlegende Ramón Julián Puigblanqué befreundet war und zusammen mit ihm an Wettkämpfen teilgenommen hat. Simons Augen fangen zu glühen an, als er von seinem Vorbild erzählt: „Ramón war mein Hero! Er hat immer gesagt: ‚Jungs, ihr müsst euer Bestes geben, um eure Ziele zu erreichen.‘ So entstand mein Mantra Escalar A Muerte oder kurz EAM.“

Simons Feuer brennt auch, wenn er erzählt: „Ich habe einige Storys über das Frankenjura gelesen. So auch in Jerry Moffats Buch Revelations – so inspirierend!“ Die Anekdote geht so: Die Boulderlegende Fipper Fitz nahm seinen Kumpel Jerry Moffat mit an das eindrückliche Dach mit dem Namen Eldorado. Fipper hatte eine Route eingebohrt, die er Ekel taufte – sein Ziel war es, die Einzelzüge auszubouldern. An einem freien Durchstieg war er nicht interessiert. Moffat reichte der Hangdog-Style, mit dem er Fipper begeisterte, aber nicht. Er kam wieder und kletterte barfuß durch den steilen Übergang, um mit seinen Zehen besseren Halt in den kleinen Löchern zu haben. Das war die erste freie Begehung einer 9+ in Deutschland. Als er seinem Freund davon erzählte, zuckte der nur mit den Schultern. Für ihn hatte Moffat die Route schon vorher geschafft – die Einzelzüge waren alles, was in interessierten.

Mit diesem Hintergrund war es klar, dass Ekel auch auf der Wunschliste von Simon stand. Der kletterte die Route aber nicht barfuß, sondern mit seinem Lieblingsschuh für Dächer und Überhänge – dem Voltage LV. Simon: „Es ist echt cool, hier zu klettern. Auf den Spuren all dieser kleinen Erzählungen der Sportklettergeschichte zu wandeln macht so viel Spaß!“

Gleich ums Eck vom Eldorado gibt es einen weiteren Klassiker, für den das Frankenjura über seine Grenzen hinaus bekannt ist und Simon und Ana auf ihrer Tour natürlich auch nicht verpassen durften: Kuchen. Nicht die ideale Kost fürs Klettern, aber dafür umso leckerer. „Den ein oder anderen Käsekuchen haben wir uns auf der Reise schmecken lassen – gehört hier einfach dazu, hat man uns gesagt …“, erzählt Simon lachend und ergänzt: „…genau wie kleine Löcher und steile Routen.“ Der Style gefällt ihm, auch wenn er mit einem Schmunzeln erzählt „Ana ist die Pocket-Spezialistin von uns beiden. Sie kann sich einfach direkt festhalten. Ich muss immer erst sorgfältig Aufwärmen und in der Route warm werden.“

Warm geworden ist Simon in den heißen Juliwochen des Sommers auf jeden Fall und er hat Feuer für das Frankenjura gefangen. Den nächsten gemeinsamen Trip für den Herbst hat er noch vor Ort geplant. Eins ist klar– der Maté ist auf jeden Fall wieder mit am Start.